„Es wird seinen Sinn gehabt haben. Keiner will ein krankes Kind. Und die, die es sagen und haben dann eines, die hadern ihr ganzes Leben damit. Jeder will doch ein gesundes, hübsches Baby“. Ich sitze bei meiner Nierenärztin (ich habe die Erbkrankheit ADPKD und bin deshalb regelmäßig zur Kontrolle) und weiß nicht, was ich auf diese Floskel erwidern soll.
Im Minenfeld der tröstenden Worte
Ich weiß, sie hat es gut gemeint und ich schätze sie sehr als meine Ärztin. Sie macht sich Gedanken darum, wie es mir geht und das ist nett von ihr. Aber was sie sagt, tröstet mich so gar nicht. Ja, ich wünsche mir ein gesundes Kind. Eines, das leben darf und das nicht leiden muss. Aber in meinem Fall heißt das nicht, dass ich ein krankes Kind nicht haben möchte. Die Diskussion um lebenswertes Leben ist eine, an die ich mich an dieser Stelle gar nicht heranwagen möchte. Es geht mir eher darum, dass es so manche Aussage nach einer Fehlgeburt gibt, von der sich Außenstehende erhoffen, dass sie das alles leichter macht. Die man nicht nur einmal hört und die doch nicht wirklich hilft:
„Beim nächsten Mal wird es gut gehen.“ Oh, wie ich mir das wünschen würde. Aber wie kann jemand wissen, wie lang unser Weg noch sein wird? Wer, wenn nicht ich, weiß, wie wenige Garantien es gibt, an die ich mich klammern kann und wie schwer diese Unsicherheit auszuhalten ist?
„Das kommt nicht selten vor. Das passiert vielen.“ Es stimmt. Es ist gut zu wissen, nicht allein zu sein. Nicht das einzige Paar auf der Welt, dem das passiert. Und doch misst sich mein eigener Schmerz nicht an der Statistik. Er wird nicht erträglicher, nur weil er „normal“ ist.
„Sei froh. Es wäre sicher behindert gewesen.“ Etwas mehr als die Hälfte aller Fehlgeburten ist genetisch bedingt. Das heißt, es gibt auch viele andere Ursachen und oft kann leider gar kein Grund gefunden werden. Ich weiß beispielsweise bislang nicht, woran es bei mir/bei uns gelegen hat. Diese Aussage ist deswegen nicht nur irgendwie anmaßend, sondern einfach auch nicht ganz wahr.
Was hilft…
Objektiv gibt es nicht viel Richtiges, das man in so einer Situation sagen kann. Natürlich möchte man als Außenstehender gerne Trost spenden und helfen. Ich kenne das selbst nicht anders von schmerzhaften Trennungen und Scheidungen im Freundes- und Bekanntenkreis oder wenn jemand in meinem Umfeld einen lieben Menschen verloren hat. Es ist einfach schwierig, bei so etwas die richtigen Worte zu finden.
Und doch gibt es ein paar Dinge, die mir wirklich helfen, wenn ich über meine Fehlgeburten spreche.
Nicht selten teilen andere beispielsweise ihre eigene Kinderwunschgeschichte mit mir, wenn ich ihnen von meinen Fehlgeburten erzähle. Ich finde das immer sehr berührend. Ich weiß nicht, ob ein offener Umgang mit dem Thema anderen den Mut gibt, selbst darüber zu sprechen oder ob es einfach der Wunsch ist, mir Hoffnung zu machen. Aber es ist schön. Es gibt ein Gefühl von Nähe und gegenseitigem Verständnis.
Andere haben mir ehrlich kommuniziert, dass sie nicht wissen, wie sie mit meiner Situation umgehen sollen. Und das macht es viel leichter! Darüber kann man reden. Ich kann das verstehen und ich kann versuchen, das alles etwas greifbarer zu machen. Das ist oft leichter als ein unbequemes Schweigen.
Generell spüre ich, dass Fragen oft besser funktionieren Antworten. Mir tut es gut, wenn mich jemand fragt, wie es mir gerade geht, wovor ich Angst habe, welche Gedanken mir gerade durch den Kopf gehen. Daraus entwickeln sich in der Regel bessere und tiefgründigere Gespräche als aus schulterklopfenden Mutmacherfloskeln, auf die ich oft nichts zu erwidern weiß und die ihr Ziel bisweilen verfehlen.
Was letzten Endes vor allen anderen Dingen zählt, ist das Gefühl, nicht allein zu sein. Wir sind in der unschätzbar glücklichen Situation, ein ganzes Netz aus Menschen in unserem Leben haben, die uns gemeinsam auffangen können. Die mit uns weinen und lachen und die für uns da sind, wenn wir sie brauchen. Und die das ein oder andere fehlgegriffene Wort von anderer Seite viel erträglicher machen.
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